So baust du dir deinen Kanadier selbst

15. Juni 2020

Du liebst handwerkliche Herausforderungen und bewegst dich gern auf dem Wasser? Dann ist der Bau eines eigenen Kanadiers genau das richtige Projekt für dich. Fritz und Calle von w.werft, der Kanu-Manufaktur aus Wuppertal, haben jede Menge Tipps für dich, um mit dem Projekt zu starten.

Ein Kanu selbst zu bauen, ist ein interessanter und herausfordernder Prozess, der handwerklich interessierte Menschen direkt begeistert – und nicht mehr so leicht loslässt. »Wir würden wahrscheinlich auch in der Wüste Kanus bauen«, so bringen Fritz und Calle ihre Begeisterung zum Ausdruck.

Du möchtest dich von der Begeisterung anstecken lassen? Dann starte jetzt mit dem Bau eines Holzkanadiers. Fritz und Calle empfehlen allen Kanubau-Einsteigern, mit der Skin-on-Frame-Bauweise zu starten, da sie zwar Handwerks-Knowhow erfordert, jedoch mit etwas Einarbeitung auch von Anfängern umzusetzen ist. Und auch das Ergebnis kann sich sehen lassen: ein sehr leichtes, langlebiges Holzboot, durch das bei schönem Wetter sogar die Sonne scheint. Kurzum: Ein Boot, das Lust auf mehr macht!

Ohne Leim, stattdessen mit Nadel und Faden: Ein Skin-on-Frame-Kanu besteht aus einem mit Sehne verbundenen Holzrahmen, welcher mit Stoff bespannt und lackiert wird. Bereits vor tausenden von Jahren begannen Menschen in der Arktis Boote in dieser Bauweise zu bauen – damals noch mit dem, was ihnen zur Verfügung stand: Treibholz, Knochen, Robbenhaut. Heute setzen wir diese Bauweise mit Materialien aus dem Fachhandel um.

Fritz gibt ein paar Fakten zur Orientierung:

»Wie lange du für den Bau deines Skin-on-Frame-Kanadiers brauchst, hängt natürlich von deinem Können ab. Ein guter Richtwert sind 100 Stunden. Für den Materialeinsatz solltest du rund 600 Euro einplanen«

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Die wichtigsten Fachbegriffe im Überblick: 1 = Steven, 2 = Dollbord, 3 = Längsspanten,
4 = Querspanten, 5 = Sitz, 6 = Ducht

Du möchtest noch mehr über w.werft erfahren? Lerne Fritz und Calle im Interview kennen.

Profi-Tipp 1: Lass dir Zeit bei der Wahl des richtigen Holzes

Es kann nicht oft genug betont werden: Beim Bau eines Skin-on-Frame-Bootes ist die Wahl des Holzes absolut entscheidend. Ideal sind die Holzarten Red Cedar und Esche. Beide Holzarten findet man nur im Fachhandel. Deshalb geht bei der Suche nach den richtigen Brettern meist viel Zeit drauf. Wer dabei die Geduld verliert und zu falschem Holz greift, wird sich später höchstwahrscheinlich ärgern, da es beim Dampfbiegen bricht.

Wofür du das Holz später brauchst und auf welche Kriterien du beim Kauf achten solltest:

Esche Red Cedar
Gute Eignung zum Biegen unter Dampf
Für: Querspanten, Steven, Dollborde, Ducht, Sitze
sehr leicht und langlebig, resistent gegen Feuchtigkeit
Für: Längsspanten, Fußhölzer, Paddel

Beim Holzkauf auf astfreie Bretter und sehr gerade verlaufende, stehende Jahresringe achten. Stichwort: »Riftware«. Bei Eschenholz ist ungetrocknetes Holz mit viel Restfeuchte ideal, jedoch funktioniert auch kammergetrocknetes Holz, wenn man mehr Ausschuss beim Dampfbiegen in Kauf nimmt.

Die linke Leiste ist optimal. Sie hat keine herauslaufenden, jedoch durchgehende und liegende Jahresringe. Bei der mittleren Leiste ist ein Bruch sehr wahrscheinlich: ihre Jahresringe liegen nicht gerade, sondern laufen aus der Leiste heraus. Auch die rechte Leiste lässt sich nicht gut biegen, da ihre Jahresringe schräg verlaufen.

Profi-Tipp 2: Die Jahresringe des Holzes geben vor, wie du sägst

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1 = Helling, 2 = Mallen, 3 = Längsspanten, 4 = Querspanten, 5 = Steven

Beim Zusägen des Holzes spielt der Verlauf der Jahresringe eine große Rolle, vor allem beim Biegen der Querspanten. Calle erläutert:

»Dass die Jahresringe bei den Querspanten möglichst gerade verlaufen, ist sehr wichtig. Wir holen dafür Leisten auch mitten aus dem Brett heraus. Priorität ist es, dass die Jahresringe von Anfang bis Ende durch die Leiste laufen«

Die Helling ist die Grundlage, auf der der Kanadier entsteht. Sie sollte möglichst stabil, zum Beispiel aus Konstruktionsvollholz und Plattenmaterial gebaut sein. Auf der Helling werden die Mallen, die nach einem Bauplan gefertigt werden und dem Rumpf seine Form geben, befestigt. Bei der Herstellung der Mallen muss bedacht werden, dass sie aufgrund der Bauweise um die Stärke der Längsspanten verkleinert werden müssen.

Die Steven an Bug und Heck werden aus dünnen Eschenleisten formverleimt und auf der Helling angebracht. Danach richtest du die Längsspanten aus und fixiert sie mit Zwingen an den Mallen. Hierbei ist darauf zu achten, dass das Gewebe, das später über die Längsspanten gespannt wird, genug Abstand zu den Querspanten hat. Dabei ist Augenmaß gefragt! Wichtig ist, dass du dir bei diesem Schritt Zeit lässt, denn das Fahrverhalten deines Kanadiers hängt entscheidend davon ab. Auch solltest du überlegen, auf welcher Höhe die Sitze später angebracht werden sollen, denn diese werden an den Längsspanten angebracht – je höher die Sitze, desto kippliger ist dein Kanadier.

Nach diesem Schritt kann mit dem Dampfbiegen begonnen werden!

Profi-Tipp 4: Dampfkammer bauen und Spanten biegen – keine Angst, das bekommst du auch hin

Um die Querspanten in Form zu bringen, werden sie unter heißen Dampf gebogen. Dafür baust du dir eine Dampfkammer, zum Beispiel aus Siebdruckplatte. Damit die Leisten schnell geschmeidig werden, sollten sie möglichst weit oben im Dampf liegen. Aus diesem Grund baust du die Dampfkammer möglichst flach – jedoch auch breit, um gleich eine ganze Reihe an Leisten dämpfen zu können. Die Länge der Dampfkammer sollte mindestens so lang sein wie der längste Querspant.

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Dampfkammer: Breit und flach, damit eine Reihe Leisten weit oben im Dampf liegen kann

Ein Dampferzeuger lässt sich aus einem alten Kochtopf und einem Gaskocher bzw. einem Tauchsieder bauen. Die Heizleistung sollte mindestens 2.000 Watt betragen. Ein Thermometer zur Temperaturkontrolle schadet nicht.

Vorgehen:

  1. Leisten aus kammer-trockenem Holz vor dem Dampfen etwa drei Tage in Wasser legen
  2. Leisten grob ablängen und die Mitte markieren
  3. In die Dampfkammer legen: etwa 45 min bedampfen, die Temperatur liegt zwischen 90 und 100 Grad Celsius
  4. Regelmäßig den Wasserstand kontrollieren

Wenn du die Leisten entnimmst, solltest du sie zügig bearbeiten. Für ein gutes Ergebnis sind die ersten 30 Sekunden entscheidend. Dabei die Querspanten, am besten zu zweit, von unten gleichmäßig in das innere Längsspanten-Gerippe biegen und mit Leimklemmen fixieren. Zudem solltest du die Querspanten gleichmäßig und nicht ruckartig biegen. Ungleichmäßigkeiten solltest du möglichst schnell erkennen und per Hand korrigieren. Nach einer Minute lässt sich an der Form der Leiste nicht mehr viel ändern.

Sind alle Querspanten gebogen und hatten einige Tage Zeit zum Trocknen, wird der Frame wieder auseinandergebaut und alle Bauteile geschliffen, damit der Skin später nicht beschädigt wird. Außerdem sind glatte Holzoberflächen weniger anfälliger für Fäulnis.

Extra-Tipp: Wenn dir das Dampfbiegen ‚zu heiß‘ ist, dann kannst du auch auf die sogenannte Fuselage-Frame-Bauweise ausweichen, die ohne das Dampfbiegen auskommt.

Frame zusammenbauen und knoten, bespannen, lackieren, ausprobieren

Wenn alle Bauteile des Kanadiers vorbereitet sind, kannst du damit beginnen, ihn zusammenzubauen. Die Längs- und Querspanten werden mit Kunstsehne miteinander verknotet. An den Steven passt du die Längsspanten an und verknotest auch diese. Halte die Sehne stets auf Spannung, damit der Rumpf die nötige Stabilität bekommt. Die inneren und äußeren Dollborde passt du an den Steven an und verschraubst zwischen ihnen die Enden der Querspanten. Nachdem du den Frame nun von der Helling nehmen kannst, baust du deine fertigen Sitze ein und fixierst die Ducht zwischen den Dollborden.

Dein Kanadier ist nun bereit für die Ölung mit Tungöl, damit er dem Wasser trotzen kann. Am besten mehrmals ölen, das erste Mal verdünnt. Gib deinem Frame anschließend mehrere Tage Zeit um überschüssiges Öl auszuschwitzen und nimm die Reste mit einem Lappen ab. Wenn sich der Frame nicht mehr ölig anfühlt, kannst du den Rumpf bespannen. Zuerst spannst du den Stoff der Länge nach über deinen Frame und vernähst ihn an Bug und Heck, danach tackerst du ihn mit viel Spannung an die äußeren Dollborde.

Wenn du Nylongewebe nass verarbeitest schrumpft es beim trockenen und spannt sich nochmals stärker um deinen Frame. Der letzte Schritt macht deinen Kanadier schwimmfähig: die Lackierung. Bevor es nämlich aufs Wasser geht muss man sich nochmal in Schale schmeißen: Overall, Nitrilhandschuhe und Filtermaske sind unentbehrlich bei der Verarbeitung von klarem 2K-PU-Lack, den man am besten zu zweit mit der Rolle auf das Nylongewebe aufträgt.

Der Jungfernfahrt steht dann nur noch das Anbringen einer Schrubleiste an den Dollborden im Wege!

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Die erste Fahrt mit dem selbstgebauten Kanadier ist unbezahlbar (Foto: Matthias Mihatsch)

Hol dir noch mehr Tipps

Sich Inspiration bei anderen zu holen, ist beim Kanubau sehr zu empfehlen. Zum einen gibt es viel Literatur. Da der Kanubau vor allem in Kanada und den USA verbreitet ist, ist sie überwiegend englischsprachig. Die Bibel der SOF-Bauweise ist das Buch Building Skin-on-Frame Boats von Robert Morris.

Ebenfalls wirst du auf YouTube und Instagram fündig: Hier geben Kanubauer Einblick in ihre Arbeit, zum Beispiel auf der Webseite und dem Instagram- sowie YouTube-Channel von w.werft.

HAND-DRAUF-Redaktion

Von Werkzeug bis Unternehmensführung: Mit unseren Ratgebern wollen wir Handwerker*innen Antworten auf viele Fragen geben.

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2 Kommentare

  1. Schiele Ulrich

    Hallo liebes Team,

    prüft doch mal, ob ihr die Materiallisten (z.B. Beim Bollerwagen: Achse, Räder, Schrauben) oder auch das Werkzeug in euren Shop verlinken könnt, sofern ihr den Artikel führt.
    So profitiert der Leser und euer Umsatz.

    Viele Grüße, Ulrich Schiele

    Antworten
  2. Holzhandel

    Super Anleitung für die ersten Schritte zum Bau eines Kanadiers. Da werde ich gleich mal gucken wie das genau gemacht wird und ob ich das eventuell auch nachbauen kann.

    Antworten

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