Kleben ist das neue Schweißen

26. Mai 2021

Galten Schweißen, Nieten und Schrauben lange Zeit als effektive Fügeverfahren in Industrie und Handwerk, werden Hightech-Klebstoffe heute als die Verbindungstechnik des 21. Jahrhunderts gehandelt. Das ist Anlass genug, mal einen genaueren Blick auf moderne Klebstoffe sowie ihre Vor- und Nachteile in der Praxis zu werfen.

Eins vorweg: Nieten, Schweißen, Schrauben und Löten haben als Verbindungstechniken nach wie vor ihre Berechtigung und werden diese auch nicht verlieren. Nichtsdestotrotz sind viele Nachteile der traditionellen Techniken wohlbekannt. Mechanische Verfahren wie das Schrauben oder Nieten ermöglichen zum Beispiel nur punktuelle Kraftübertragungen und verletzen den Werkstoff, schließlich müssen Löcher gebohrt werden. Ein thermisches Verfahren wie das Schweißen wiederum verändert spezifische Eigenschaften des Werkstoffs im Bereich der Schweißnähte. All das ist bei einer Klebeverbindung nicht der Fall. Moderne Klebstoffe punkten stattdessen mit einer Reihe an Vorteilen, unter anderem einer gleichmäßigen Spannungsverteilung. Außerdem bleibt der Werkstoff unverändert.

 

Was genau ist Klebstoff? Die Definition

Nach DIN EN 923 ist „ein Klebstoff ein nichtmetallischer Stoff, der Fügeteile durch Flächenhaftung (Adhäsion) und innere Festigkeit (Kohäsion) verbinden kann“.

 

Klebstoff als Innovationstreiber

Es gibt kaum einen Industriezweig, der heute nicht auf Hightech-Klebstoffe als Verbindungstechnologie setzt. Und das nicht ohne Grund, denn Hightech-Klebstoffe ermöglichen in der Praxis neue Konstruktionsmöglichkeiten. Gerade in der (Ultra-) Leichtbaukonstruktion geht es schließlich um jedes Gramm in der Gewichtsreduktion. Vollkommen neue Dimensionen wären in diesem Bereich ohne den modernen leistungsstarken Klebstoff nicht realisierbar, schließlich bringt er eine signifikante und effiziente Gewichtsreduzierung mit sich. Noch dazu ermöglicht die Verbindungstechnik aerodynamische Effekte.

Hightech-Klebstoffe gelten heute daher gerade im gesamten Verkehrsmittelbau – wie etwa in der Automobilindustrie, im Flugzeugbau oder im Schiffbau – als unentbehrlich. In der Elektronik wiederum tragen Klebstoffe in hohem Maße zur Funktionssicherheit bei. Und auch im Handwerk werden Klebstoffe aufgrund ihrer Effizienz zunehmend verwendet, schließlich erleichtern sie als enorm leistungsstarkes Fügemittel die Arbeit. Zudem bringen Klebstoffe auch eine große Zeit- und Kostenersparnis mit sich. Das alles führt dazu, dass der Industrieverband Klebstoffe mittelfristig sogar mit einem mindestens vierprozentigen Wachstum des Klebstoffsektors rechnet.

 

Überblick: Vor- und Nachteile der Klebetechnologie

Ganz egal, ob Epoxidharzkleber, Schmelzklebstoffe oder technische Klebebänder: In vielen Punkten überzeugen hochwertige Klebstoffe im Vergleich zu herkömmlichen Verbindungstechniken mit ihren Vorteilen. Aber wie jedes Verfahren bringt auch das Kleben in der Praxis den ein oder anderen limitierenden Faktor mit sich. Diese möchten wir nicht vorenthalten und haben für dich die Vor- und Nachteile gegenübergestellt.

 

Vorteile der Klebetechnologie

  • Weniger Zeit & Kosten: Abgesehen von Aushärtungszeiten ist das Kleben schnell umgesetzt. Der Arbeitsaufwand ist daher im Vergleich zu herkömmlichen Fügeverfahren gering. Auch Kosten können in der Regel eingespart werden.
  • Gewichtsreduktion: Der Einsatz der Klebetechnik ermöglicht im Gegensatz zu thermischen oder mechanischen Verfahren bis zu 25 Prozent Gewichtsreduktion bei gleichzeitiger Erhöhung der Strukturfestigkeit.
  • Klebverbindung als Dichtung: Klebstoffe funktionieren gleichzeitig als Dichtstoffe für Gase und Flüssigkeiten. Sie verhindern so zum Beispiel das Eindringen von Kondenswasser und verringern die Entstehung von Korrosion, sogenannter Spaltkorrosion.
  • Unterschiedliche Werkstoffe möglich: Thermische und mechanische Verfahren eignen sich nicht für die Verbindung unterschiedlicher Werkstoffe wie zum Beispiel Glas und Metall, Holz und Metall oder Aluminium und Stahl. Hier kommen grundsätzlich Klebstoffe zum Einsatz.
  • Keine Schwächung der Fügeteile: Beim Schweißen werden die Fügeteile hohen Temperaturen ausgesetzt, die Oberfläche wird verändert. Beim Schrauben oder Nieten wird die Oberfläche durch Bohrungen geschwächt. Beim Kleben wiederum kommt es zu keiner Beschädigung, gesichert sind so auch optimale optische und aerodynamische Eigenschaften.
  • Gleichmäßige Spannungsverteilung: Im Gegensatz zur punktuellen Kraftübertragung, die beim Schrauben und Nieten an den Verbindungselementen entsteht, kann mit dem Verkleben eine gleichmäßige Spannungsverteilung erreicht werden. Außerdem möglich: die großflächige Verbindung dünner Teile.
  • Schwingungsdämpfung: Großflächige Klebeverbindungen sind durch den Klebstoff elastisch und können so Schwingungen besser dämpfen als Schweiß-, Schraub- oder Nietverbindungen.
  • Keine Kontaktkorrosion: Ein Klebstoff kann nicht nur ungleiche Metalle verbinden, sondern bildet als dünne Isolationsschicht auch einen Schutz vor Korrosion.

Nachteile der Klebetechnologie

  • Aushärtezeit notwendig: Klebstoffe benötigen eine bestimmte Zeit für den Härtungsprozess, die zum Teil je nach Kleberart mehrere Stunden in Anspruch nehmen kann.
  • Vorbehandlung als zusätzlicher Arbeitsschritt: Um optimale Klebeergebnisse zu erreichen, müssen die zu verklebenden Oberflächen zuvor von Öl, Fett, Staub und sonstigen Schmutzresten befreit werden.
  • Nicht demontierbar: Was einmal verklebt wurde, klebt! Die Verbindung ist schwer zu trennen, das Ersetzen von Verbindungsteilen ist daher aufwendiger und kostenintensiver.
  • Begrenzt thermisch belastbar: Verklebungen können bei zu niedrigen Temperaturen spröde werden, bei zu hohen Temperaturen erweichen und schmelzen oder die Form verändern.
  • Alterungsprozesse: Je nach Kleberart unterliegen Klebstoffe Alterungsprozessen, die durch mechanische, chemische, physikalische und biologische Einflüsse ausgelöst werden. Unter anderem können Feuchtigkeit, Reinigungsmittel, Salze und UV-Strahlung die Klebkraft beeinträchtigen.
  • Aufwendiges Kontrollverfahren: Es sind kaum zerstörungsfreie Prüfverfahren verfügbar, um Klebeverbindungen auf Festigkeit zu prüfen.
  • Recycling schwierig: Sowohl Klebstoffe als auch Betriebsstoffe, die zum Reinigen der Oberflächen benötigt werden, sind stark lösemittelhaltige Gefahrstoffe.

HAND-DRAUF-Redaktion

Von Werkzeug bis Unternehmensführung: Mit unseren Ratgebern wollen wir Handwerker*innen Antworten auf viele Fragen geben.

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