Unternehmerinnen im Handwerk

14. Juni 2019

Frauen im Handwerk sind auch heute noch meist Friseurinnen, Konditorinnen oder Zahntechnikerinnen. Doch es tut sich was! Auch in typischen Männerberufen machen sich Handwerkerinnen breit, unter anderem als Meisterin, Gründerin und selbstständige Unternehmerin.

In Zeiten von Fachkräftemangel und Nachfolgeproblemen kann das Handwerk nicht mehr auf Frauen verzichten. Gleichzeitig zeigen die Zahlen: Da ist noch Luft nach oben. Laut Zentralverband des Deutschen Handwerks (ZDH) wurden 2017 gerade mal 16,8 Prozent der erfolgreichen Meisterprüfungen von einer Frau absolviert. Nur jeder fünfte Handwerksbetrieb (19,4 Prozent) wird von einer Frau geführt. Immerhin werden über 75 Prozent der Familienbetriebe im Handwerk von einem (Ehe-)Paar gemeinsam geleitet.

Studie zeigt: Unternehmerfrauen im Handwerk oft keine Handwerkerinnen

Eine Studie des Instituts für Technik der Betriebsführung im Deutschen Handwerksinstitut e.V. (itb) belegt, dass sich die Rolle der Frau in Handwerksunternehmen durchaus gewandelt hat. Die neue Generation von Unternehmerfrauen ist gut ausgebildet, selbstbewusster und hat ein ausgeprägtes Verantwortungsbewusstsein. Handwerkerinnen sind sie dennoch nicht.

Die Mehrheit der Frauen (52 Prozent) absolvierte die Realschule und knapp ein Drittel (31 Prozent) verfügt über die allgemeine Hochschulreife. Nach der Schule führte der Weg sie meistens jedoch nicht ins Handwerk: Lediglich 17 Prozent machten eine Ausbildung im Handwerk, nur fünf Prozent der Studienteilnehmerinnen weisen einen Meisterbrief vor. Statt für etwas Handwerkliches entschied sich die die Mehrheit für eine kaufmännische Ausbildung und arbeiten schließlich in den Bereichen Buchhaltung und Finanzen.

Wie finden mehr Frauen den Weg ins Handwerk?

Doch was müsste man ändern, damit mehr interessierte Frauen den Schritt ins Handwerk gehen? Und wer steht in der Verantwortung etwas zu ändern, sind es die Schulen, die Ausbildungsbetriebe oder doch die männlichen Chefs und Kollegen? Um Antworten auf diese Fragen zu finden, trafen wir uns mit vier Handwerkerinnen zum Gespräch.

Christina Pech und Jule Kürschner, Tischlermeisterinnen und Inhaberinnen der Tischleria in Berlin-Tempelhof mit sechs weiblichen Angestellten

„Vorbehalte spüren wir eigentlich nicht. Wir haben das Gefühl, dass Fachfrauen im Holzhandwerk mittlerweile akzeptiert sind. Das liegt auch daran, dass sich immer weniger Frauen von der Männerdomäne abschrecken lassen. Vor ein paar Jahrzehnten sah das noch anders aus. Zumindest in Berlin gibt es einen relativ hohen Anteil an Tischlerinnen. Die Quote an weiblichen Auszubildenden liegt hier bei über 20 Prozent. Allerdings werden Frauen »nach oben hin« seltener. Es gibt weniger Gesellinnen und noch weniger Meisterinnen.

Manche Auftraggeber*Innen suchen uns gezielt aus, weil sie die Erfahrung gemacht haben, dass Frauen auf der Baustelle für eine bessere Arbeitsatmosphäre sorgen. Sie hinterlassen den Arbeitsplatz sauber und arbeiten auch auf die letzten zehn Prozent äußerst ordentlich. Aber hier zeigt sich, dass Handwerkerinnen durchaus anders wahrgenommen werden: ordentlich, sauber, harmonisch. Das ist positive Diskriminierung. Darüber hinaus will man ja auch als Fachexpertin und Wirtschaftsbetrieb wahrgenommen werden.

Was sehr schade ist: Auf der Suche nach Fachkräften begegnet uns immer häufiger ein Problem. Viele Frauen sind nicht bereit, Vollzeit zu arbeiten. Das liegt nicht daran, dass diese Frauen Mütter sind, sondern dass sich die Einstellung zur Arbeit generell und geschlechterunabhängig verändert hat. Teilzeit können wir leider nicht anbieten.“

Barbara Schützeichel, Meisterin des Elektrohandwerks und Inhaberin von B-Set in Berlin-Kreuzberg

„Ich erlebe immer noch starke Reaktionen – vor allem von Menschen, denen ich zum ersten Mal begegne, und sehr häufig von Frauen. Diese sind teilweise völlig entgeistert und sagen »Das könnte ich ja niemals machen«. Es gibt auch Kunden, die anrufen, ihr Problem schildern und unsicher nachfragen, ob ich solche Probleme überhaupt löse. Dann denke ich mir: Ja, dies ist ein Elektrohandwerksbetrieb und ich löse Probleme, die mit Elektronik zu tun haben. Als langjährige selbstständige Handwerksmeisterin habe ich es aber natürlich grundsätzlich leichter als eine junge Gesellin. Nach 15 Jahren bin ich in Berlin bekannt und genieße einen guten Ruf.

Die Branche bewegt sich sehr langsam, aber es tut sich etwas. Zu sehen ist das auch am Frauenanteil an den Berufsschulen. Ich war zu meiner Zeit die einzige Frau auf der gesamten Schule. Heute ist eine weibliche Auszubildende im Elektrohandwerk vielleicht die einzige Frau im Jahrgang, aber davor und danach gibt es auch eine Frau.

Was wir ändern müssen? Wir müssen schon in der Grundschule anfangen: Hier hören Mädchen Sätze wie »Rechnen musst du nicht können« oder »Das ist zu schwer für dich«. Meine Erfahrung zeigt, dass sich Mädchen genauso wie Jungs für das Handwerk interessieren, sich aber nicht trauen, das stärker zu verfolgen. Es hat auch viel damit zu tun, dass Kinder und Jugendliche damit beschäftigt sind, ihre Rolle in der Gesellschaft zu finden. Handwerk bedeutet für Mädchen, sich außerhalb der verbreiteten Rollenvorstellungen zu bewegen. Und das ist schwer. Das gleiche gilt auch für Jungs, die einen vermeintlichen Frauenberuf, zum Beispiel Hebamme oder Florist, ergreifen wollen.“

Cornelia Midekke, ausgebildete Tischlerin und B. Sc. Holztechnik

„Nach meinem Abitur wählte ich zunächst ein Studium. Doch glücklich wurde ich damit nicht und habe es schließlich abgebrochen. Warum dann die Wahl auf das Tischlerhandwerk fiel? Mein Opa war Tischler. In meiner Familie gab es immer die Grundeinstellung, Dinge selbst zu machen und selbst zu reparieren. Dieser Drang hat mich angesteckt.

Mein Opa war übrigens auch derjenige, der die Hände überm Kopf zusammenschlug, als er von meinen Plänen erfuhr: »Du bist doch eine Frau, du kannst kein Tischler werden.« Er befürchtete, dass der Job für mich zu anstrengend ist. Insgesamt ist das Tischlerhandwerk jedoch nicht mehr so kräftezehrend wie früher. Es gibt heute so viele Hilfsmittel, die den Körper entlasten. Deshalb ist es einfacher geworden, in diesem Beruf zu arbeiten, auch wenn man vielleicht so manchem Kollegen körperlich unterlegen ist.

Mir wurde von Kundenseite häufig nicht viel zugetraut. Vor allem Frauen waren bestürzt: Sie wollten sich beim Chef beschweren, dass sie mich so »hart« arbeiten ließen. Auf Chefseite gab es nie Probleme, wir haben gemeinsam abgestimmt, was geht und was nicht.

Letztendlich habe ich meist in der Werkstatt gearbeitet. Die finalen Arbeitsgänge an einem Werkstück, vor allem die Oberflächenherstellung, war mein Metier. Hier war Qualitätsbewusstsein und Fingerspitzengefühl gefragt. Das lag bei uns im Betrieb bei wenigen Ausgewählten. Von den Männern bzw. Azubi-Jungs wurde erwartet, dass sie das Auto ausladen, die Frauen bzw. Azubi-Mädels waren in der Werkstatt. Fair ist das jedoch nicht: Jungs haben ja auch was zwischen den Ohren und können mehr als nur Schleppen. Grundsätzlich ist es wichtig, schon in der Ausbildung persönliche Fähigkeiten zu fördern, damit jeder sein individuelles Potential optimal nutzen kann.“

Was muss sich ändern, damit mehr Frauen ins Handwerk kommen?
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HAND-DRAUF-Redaktion

Von Werkzeug bis Unternehmensführung: Mit unseren Ratgebern wollen wir Handwerker*innen Antworten auf viele Fragen geben.

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