Blindgänger auf Baustellen, was tun?

11. März 2019

Wie schützen sich Bauarbeiter vor Blindgängern? Wie sollten sie sich verhalten, wenn sie während der Arbeit zufällig auf eine Bombe stoßen? Und wie hoch ist eigentlich die Wahrscheinlichkeit, dass dies passiert? Wir sprachen mit einem Experten.

Millionen von Bomben gingen während der Luftangriffe im Zweiten Weltkrieg auf deutsche Städte nieder. Sie beschäftigen uns bis heute, denn bis zu 16 Prozent der abgeworfenen Bomben waren Blindgänger. Das heißt, sie sind nach Abwurf nicht oder nur teilweise detoniert und stellen immer noch eine große Gefahr dar. Unter anderem drohen Explosion und Vergiftungen von Erdreich und Grundwasser. Korrosion und Verwitterung können die Gefahr sogar erhöhen. Immer wieder hören wir in der Presse von Zufallsfunden und der Entschärfung von Weltkriegsbomben.

Viele dieser Fundorte befinden sich auf Baustellen, wo bei Grabungen Bomben, Minen und Granaten zutage befördert werden. Vor allem in industriell bedeutsamen Ballungsräumen und großen Metropolen wie Berlin, Mannheim, Hamburg, Kiel oder dem Ruhrgebiet befinden sich noch heute abertausende Blindgänger im Erdreich oder in Gewässern.

Richtiges Verhalten bei Zufallsfund:

  1. Arbeit sofort einstellen und Fundort verlassen
  2. Verdächtige Fläche absperren und Betreten durch Unbefugte verhindern
  3. Ordnungsbehörde bzw. Polizei benachrichtigen
  4. Lage von Kampfmittel nicht verändern

Diese Kampfmittel wurden 2017 in Nordrhein-Westfalen geborgen

»Zufallsfunde sind sehr häufig«

Für die professionelle Kampfmittelortung und -räumung in Deutschland sind in erster Linie Privatunternehmen zuständig. Täglich fahnden sie nach Blindgängern, um sie zu entschärfen, zu beseitigen und das Risiko von Zufallsfunden zu mindern. Die P-H-Röhll NRW GmbH ist eines der rund 50 Unternehmen in Deutschland, die sich auf die Bergung gefährlicher Kampfmittel spezialisiert haben. Als Röhll Umweltversorgung war die Firma 1946 Europas erster privater Kampfmittelräumdienst. Seit rund 15 Jahren führen Jürgen Plum und Michael Hobrack das Unternehmen unter neuem Namen. Wir sprachen mit Plum über seine Arbeit.

Was macht Ihr Unternehmen genau?

Jürgen Plum: Zu den Kernaufgaben der P-H-Röhll NRW gehören die Oberflächenortung und Bohrloch- bzw. Tiefensondierung in Bombenabwurfgebieten sowie die Kampfmittelräumung, also das Bergen von Bomben, Minen und Munition. Mit unserer Arbeit sind wir in ganz Nordrhein-Westfalen unterwegs. Im Ruhrgebiet sind nahezu alle Städte zerbombt worden und von Kampfmitteln verunreinigt.

Wie lassen sich Bildgänger auffinden, die vor Jahrzehnten abgeworfen wurden?

JP: Der Schlüssel zur Kampfmittelerkundung ist die historischgenetische Rekonstruktion anhand von Luftbildauswertungen. Dazu schauen wir uns Kriegsluftbilder an, die die Alliierten während der Bombardierung deutscher Städte anfertigten. Anhand der Verteilung von Bombentrichtern können wir Flächen ermitteln, die von Bomben getroffen wurden und heute wahrscheinlich durch Kampfmitteln belastet sind.

Verdächtige Flächen werden im Anschluss genauer nach Blindgängern abgesucht. Dazu gehen wir in den Boden und zwar mithilfe der sogenannten Bohrlochsondierung. Die genaue Lage des Ruhepunktes können wir so ermitteln. Das heißt, wir bohren in regelmäßigen Abständen um den vermuteten Einschlagpunkt des Blindgängers bis zu sieben Meter in die Erde, gemessen ab Bodenniveau zu Kriegsende. Mithilfe einer geomagnetischen Sonde suchen wir dann die Erde nach Anomalien ab.

Wie lange dauert die Bergung eines Blindgängers?

JP: Das Bergen eines Blindgängers kann leicht mehrere Tage dauern. Für die Bohrlochsondierung brauchen wir meist einen ganzen Tag, für das Freilegen ein bis zwei Tage. Wie lange die Räumung dauert, hängt von vielen Faktoren ab. Eine mit der Entschärfung des Blindgängers verbundene Evakuierung eines Krankenhauses oder Pflegeheims ist beispielsweise sehr aufwendig.

Wie häufig haben Sie es mit Zufallsfunden zu tun?

JP: Als Zufallsfund bezeichnen wir Kampfmittel, die nicht bei der Flächen- oder Bohrlochsondierung von uns, sondern durch Dritte gefunden werden. Zufallsfunde sind sehr häufig.
In der Landwirtschaft oder im Tagebau kommen sie immer wieder vor. Bei uns sind täglich bis zu 20 Einsatztruppen unterwegs, um Blindgängerverdachtspunkte und Verdachtsflächen zu überprüfen.

Was sollten Bauarbeiter tun, wenn sie eine Bombe oder Munition finden?

JP: Arbeit sofort einstellen, die verdächtige Fläche absichern und das Betreten des Gebiets durch Unbefugte verhindern. Anschließend die Ordnungsbehörde oder Polizei benachrichtigen. Verantwortlich für die Sicherheit auf Baustellen ist der Bauherr. Er muss dafür sorgen, dass alle Gewerke ohne Gefahr für Menschen abgewickelt werden können. Eine Sondierung im Vorfeld eines Bauvorhabens durchzuführen ist allerdings nicht in jedem Bundesland vepflichtend.

In Hamburg beispielsweise sind Bauherren dazu verpflichtet, in Nordrhein-Westfalen existiert nur eine Empfehlung. Das richtet sich nach der unterschiedlichen Belastung durch Bomben. Eine Sondierung in Auftrag zu geben ist gar nicht aufwendig oder teuer. In Nordrhein-Westfalen geht man dazu zum Ordnungsamt und ordert eine Luftbildauswertung. Diese ist hier kostenfrei.

»Eine Sondierung im Vorfeld eines Bauvorhabens durchzuführen, ist nicht in jedem Bundesland verpflichtend. In Hamburg beispielsweise sind Bauherren dazu verpflichtet, in Nordrhein-Westfalen existiert nur eine Empfehlung.«

Jürgen Plum

Experte für Kampfmittelräumung, P-H-Röhll NRW

Sie sind Vorsitzender der Güteschutzgemeinschaft Kampfmittelräumung Deutschland. Was ist das für ein Verein?

JP: Für den Verein haben sich Firmen und Ingenieur-Büros für Kampfmittelräumung zusammengeschlossen, mit dem Ziel, geltende Sicherheitsstandards einzuhalten bzw. zu verbessern. Mindestens zweimal jährlich führen wir dazu eine Prüfung der Mitgliedunternehmen durch, bei der wir unter anderem die Qualifikation des Personals und technische Ausrüstung kontrollieren. Unternehmen, die die Prüfung bestehen, erhalten unser Gütezeichen für Kampfmittelräumung. Insbesondere öffentliche Auftraggeber schauen mittlerweile darauf, ob Unternehmen dieses Siegel haben.

Vielen Dank für das Gespräch.

Mehr Infos unter gkd-kampfmittelraeumung.de und p-h-roehll.de

HAND-DRAUF-Redaktion

Von Werkzeug bis Unternehmensführung: Mit unseren Ratgebern wollen wir Handwerker*innen Antworten auf viele Fragen geben.

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