Absturzsicherung: Sicher arbeiten

20. Juli 2018

Von Hochbau bis Baumpflege, von Dachsanierung bis Fassadenreinigung: Das Arbeiten in der Höhe oder in der Nähe von Absturzkanten gehört in vielen Industrie- und Handwerkssegmenten einfach zum Berufsalltag dazu.

Irgendwann hat man sich an die Höhe gewöhnt und arbeitet nahezu schwindelfrei. Leider vergessen dabei viele, dass Höhenarbeiten ganz schön gefährlich sind und leicht tragische Unfälle passieren können. Mit dem Risiko hinabzustürzen sollte deshalb niemals leichtfertig umgegangen werden. Wirklich sicher arbeitet man nur mit professioneller Absturzsicherung.


Wo müssen sich Handwerker unter anderem gegen Absturz absichern?

Für eine hohe Sicherheit bei der Arbeit zu sorgen, sind sowohl der Arbeitgeber als auch der Gebäudeverantwortliche verpflichtet. Sie müssen mit entsprechender Schutzausrüstung und verschiedenen Arten der Absturzsicherung den vorgeschriebenen Arbeitsschutz erfüllen. Ebenso müssen Höhenarbeiter in die geltenden Richtlinien und der richtigen Verwendung der Arbeitsmittel unterwiesen werden. Neben Dachdeckern müssen sich typischerweise Baumpfleger, Gerüstbauer und Zimmerer gegen Absturz absichern. Aber auch in vielen anderen Berufsgruppen kommt es gelegentlich zu Tätigkeiten in der Höhe. Solche Tätigkeiten sind alle Arten von Dacharbeiten.

Du fragst dich: Welche Vorschriften muss ich eigentlich beachten und welche Absturzsicherung-Typen gibt es? Dieser Beitrag verschafft dir einen Überblick.

1. Welche Absturzsicherung-Vorschriften gibt es?

Als Absturzsicherung wird eine Handlungsweise oder Vorrichtung verstanden, die den Fall aus Höhen verhindern sollen. Die Verpflichtung zur Absturzsicherung wird in einer ganzen Fülle von Gesetzen und Vorschriften festgesetzt.

Die wohl wichtigste gesetzliche Grundlage ist das Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG), das ganz allgemein die Durchführung von Arbeitsschutzmaßnahmen zur Verbesserung der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes von Beschäftigten regelt. Hier können die Pflichten und Rechte von Arbeitgebern und Beschäftigten nachgelesen werden. Ebenfalls wichtig sind die Betriebssicherheitsverordnung (BetrSichV), die Technischen Regeln für Betriebssicherheit (TRBS) und die Arbeitsstättenrichtlinie (ASR).

Konkrete Richtlinien wie sich Mitarbeiter bei Höhenarbeiten schützen sollen, veröffentlichen die Berufsgenossenschaften und Unfallversicherer. Bedeutsam auf diesem Gebiet ist der Spitzenverband der gewerblichen Berufsgenossenschaften und der Unfallversicherungsträger (DGUV), der über den korrekten Arbeitsschutz in allen möglichen Anwendungsfällen informiert. Auch die Berufsgenossenschaften BG BAU, BG Holz und Metall sowie BG RCI sind ein verlässlicher Ansprechpartner, wenn es um Arbeitsschutz geht. Für Absturzsicherung gelten unter anderem folgende Vorschriften:

  • DGUV-Regel 112-198: Benutzung von persönlicher Schutzausrüstung gegen Absturz
  • DGUV-Information 201-056: Planungsgrundlagen von Anschlageinrichtungen auf Dächern
  • DGUV-Information 212-870: Haltegurte und Verbindungsmittel für Haltegurte

Einen guten Überblick zu allen Absturzsicherung-Vorschriften findest du hier und auf arbeitssicherheit.de.

2. Ab welcher Höhe ist Absturzsicherung notwendig?

Ob Arbeitsplätze und Verkehrswege durch Absturzeinrichtungen gesichert werden müssen, hängt von Absturzhöhe und Abstand zur Absturzkante ab. In Deutschland liegt in folgenden Situationen ein Gefahrenbereich vor, der bauliche oder technische Maßnahmen erfordert:

  • allgemein: ab einer Absturzhöhe von 1,0 Metern
  • bei Wand- oder Maueröffnungen ab einer Absturzhöhe von 1,0 Meter
  • auf Treppen ab einer Absturzhöhe von 1,0 Meter
  • auf Dächern: ab einer Absturzhöhe von 3,0 Metern
  • an Flächen mit einer Neigung von mehr als 20°
  • an Öffnungen oder Vertiefungen im Boden
  • an Wasser

Je nach Gefahrenbereich sind verschiedene Maßnahmen notwendig. Zur Auswahl stehen Absperrungen, Geländer, Abdeckungen, Schutznetze, Seilsysteme, persönliche Schutzausrüstung und Leitern.

3. Was bedeutet persönliche Schutzausrüstung?

Bei der Absicherung gegen Absturz unterscheidet man grundsätzlich zwischen zwei Arten: Kollektivschutz und Individualschutz.

  • Kollektive Absturzsicherung bezeichnet eine Sicherungsmaßnahme, die alle Personen, die sich in einem Gefahrenbereich aufhalten, vor einem Absturz schützt, indem sie den Zugang zur Absturzkante verhindert. Damit sind in der Regel Sicherheitsgeländer gemeint, die aus Holz, Stahl oder Aluminium gefertigt und etwa 1,0 Meter hoch sind. Kollektivschützende Absturzsicherungen haben vor Individualschutz immer Vorrang.
  • Individualschützende Lösungen werden hingegen eingesetzt, um den Sturz einer einzelnen Person zu verhindern. Die persönliche Schutzausrüstung (PSA) kann Teil des Individualschutzes sein. Im Fall der Absturzsicherung spricht man auch von der persönlichen Schutzausrüstung gegen Absturz (PSgA). Sie besteht in der Regel aus Gurten und Ösen, mit denen die Person sich an Seilen und Anschlagpunkt befestigen kann.

Voraussetzung für die Verwendung von PSAgA sind Anschlageinrichtungen. Die Beschäftigten müssen zudem in der Benutzung der PSAgA eingewiesen werden.

3.1. Persönliche Schutzausrüstung als Rückhalte- oder Auffangsystem

Die persönliche Schutzausrüstung gegen Absturz kann als Rückhalte- oder Auffangsystem verwendet werden. Um ein Rückhaltesystem handelt es sich, wenn der Nutzer einer persönlichen Schutzausrüstung mithilfe eines Seils so an eine feste Vorrichtung (Anschlagpunkt bzw. Anschlagmittel) gebunden ist, dass er die Absturzkante gar nicht erreichen kann. Ein Absturz wird dadurch verhindert.

Hingegen spricht man von einem Auffangsystem, wenn die Person von ihrer persönlichen Schutzausrüstung beim Fall in die Tiefe aufgefangen wird, ohne dass er sich verletzt. Wichtigste Komponente ist der Auffanggurt, der sich von einem einfachen Haltegurt (Bestandteil von Rückhaltesystemen) unterscheidet. Das Verbindungsmittel begrenzt den freien Fall der Person.

4. Wann muss ich die persönliche Schutzausrüstung geben Absturz verwenden?

Schutzmaßnahmen gegen Absturz können ganz unterschiedlich geartet sein. Liegt eine Gefährdung im Arbeitsbereich oder auf Verkehrswegen vor, muss zunächst geprüft werden, welche Sicherungsmaßnahme ergriffen werden sollte. Bauliche und technische Maßnahmen haben grundsätzlich Vorrang vor organisatorischen und individuellen Schutzmaßnahmen.

Rangfolge der Maßnahmen:

  • Absturzsicherungen
  • Auffangeinrichtungen
  • Persönliche Schutzausrüstungen gegen Absturz

Sicheres Arbeiten in Höhen
Das bedeutet, dass der Individualschutz durch eine persönliche Schutzausrüstung erst dann zum Tragen kommt, wenn Auffangeinrichtungen und Absturzsicherungen, zum Beispiel in Form von Schutzgeländern, nicht vorhanden sind oder angebracht werden können.
Wenn alle drei Maßnahmen nicht ergriffen werden können, darf die Tätigkeit in absoluter Ausnahme ohne Schutzmaßnahmen durchgeführt werden, dann von einem sehr erfahrenen Handwerker.

5. Temporäre Absturzsicherung für das Dach – gibt es das?

Flachdach abdichten, Klimaanlage reparieren, Regenrinne entlauben, Solaranlage warten – es gibt eine ganze Reihe an Dacharbeiten, die nicht regelmäßig, sondern höchstens einmal im Jahr durchgeführt werden müssen.

Muss man für solche Zwecke in eine kostspielige Absturzsicherung investieren, inklusive Schutzgeländer und Anschlageinrichtungen?

Nein, es gibt Kollektivschutz, der temporär eingesetzt werden kann. Einige Exemplare arbeiten mit Gegengewicht und lassen sich zügig, ganz ohne Werkzeug aufbauen. Das Dach wird dabei nicht durchdrungen. Andere Modelle werden mittels Schraubzwingen befestigt. Die meisten Absturzsicherungen, die für die temporäre Anwendung konzipiert sind, sind außerdem sehr flexibel, lassen sich klappen und knicken, sodass sie auf verschiedenen Dächern eingesetzt werden können.
Achtung: Beim Kauf von temporärem Seitenschutz und Anschlageinrichtungen solltest du immer auf die DIN-Normen achten, die das Produkt erfüllt. Wichtige DIN-Norm: EN ISO 13374 Klasse A.

HAND-DRAUF-Redaktion

Von Werkzeug bis Unternehmensführung: Mit unseren Ratgebern wollen wir Handwerker*innen Antworten auf viele Fragen geben.

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3 Kommentare

  1. Emma

    Ich dachte, dass sich das es reicht, wenn man eine Sicherung für den Schornsteinfeger anbringt. Der geht nur mit Seil bei mir auf das Dach. Damit er sich einhaken kann, ist ein Haken in die Wand geschlagen. Das Dach wird erst beim nächsten Dachdecken mit Sicherung ausgestattet.

    Antworten
  2. Hendrik

    Gut, dass du noch einmal gesagt hast, dass man auf die IN-Norm: EN ISO 13374 Klasse A bei der temporären Seitenschutz achten muss. Sicherheit ist beim Dachdecken im Laufe der Jahre immer wichtiger geworden. Das ist gut für uns Dachdecker.

    Antworten
  3. Leopold Müller

    Danke für die Informationen zur erfolgreichen Planung und Montage von Absturzsicherungen. Sie haben Recht, dass den besten Erfolg eine Mischung aus kollektiver Absturzsicherung und individualschützenden Lösungen bringt. Mein Freund ist Industriekletterer und kennt sich mit solchen Systemen auch sehr gut aus.

    Antworten

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