Abiturienten fürs Handwerk gewinnen

21. Juni 2016

Auch im vergangenen Jahr konnten wieder etliche attraktive Ausbildungsplätze im Handwerk nicht besetzt werden. Die Suche nach geeigneten Auszubildenden gestaltet sich oft schwieriger als erwartet. Zusätzlich ist die Quote der Ausbildungsabbrecher heutzutage deutlich höher als noch vor einigen Jahren.

Neben den klassischen Auszubildenden, die nach der mittleren Reife im Handwerk durchstarten, lohnt es sich bei der Nachwuchsgewinnung einen Blick auf weitere Zielgruppen zu richten. Dieser Artikel beschäftigt sich explizit mit der Frage, wie es gelingen kann, Abiturienten für eine Ausbildung im Handwerk zu gewinnen.

Überzeugende Gründe, die für eine Ausbildung im Handwerk sprechen

Studium, Ausbildung oder doch erst einmal ein Freiwilliges Soziales Jahr? Viele Abiturienten sind nach ihrem Abschluss noch unsicher, welchen beruflichen Weg sie einschlagen möchten und welche Art von Ausbildung und Tätigkeit tatsächlich zu ihnen passt.
Durch die zunehmende Digitalisierung im Handwerk und durch die Arbeit mit neuen Technologien – wie zum Beispiel im Bereich Elektromobilität – wird das Handwerk auch für leistungsstarke Schulabsolventen zunehmend attraktiver. Vor allem Abiturienten, die genug von trockener Theorie haben, lieber praktisch arbeiten und Ideen direkt in die Tat umsetzen möchten, sind im Handwerk genau richtig. Nicht immer sind jedoch die attraktiven Chancen für Schulabgänger mit Abitur in den vielfältigen Berufszweigen des Handwerks ausreichend bekannt.
Genau darin liegt die Chance deines Betriebs. Wer Abiturienten davon überzeugen kann, dass der Weg ins Handwerk eine lohnende Alternative zum Hochschulstudium darstellt, kann auf motivierte Nachwuchskräfte bauen, die vielseitige Qualifizierungsmöglichkeiten und Berufsperspektiven haben, von denen dein Unternehmen nur profitieren kann.

Gut gerüstet für die Zukunft

Als Ausbildungsbetrieb solltest du die Mehrwerte, die du im Rahmen der Ausbildung bietest, unbedingt deutlich kommunizieren. Dazu gehört neben möglichen finanziellen Unterstützungen für Qualifizierungen auch die Qualität der Ausbildung selbst.
Während viele Uni-Absolventen nach dem Studium erst Berufspraxis sammeln müssen, können Gesellen nach der Abschlussprüfung direkt durchstarten. Wer im Handwerk eine Ausbildung absolviert, kann somit nicht nur schneller unternehmerische Verantwortung übernehmen, sondern hat darüber hinaus gute Chancen, nach der Lehrzeit eine Beschäftigung zu erhalten. Für Abiturienten, denen ein Studium wichtig ist, bieten sich allerdings dennoch interessante Chancen im Handwerk an, zum Beispiel über ein Duales Studium.
Abiturienten haben im Normalfall bereits in der Schule gelernt, problemlösungsorientiert zu denken. Die theoretische Ausbildung fällt ihnen daher häufig um einiges leichter und relevante Aufstiegschancen stellen ein wichtiges Kriterium der Entscheidungsfindung für sie dar. Ein weiteres Kriterium: Von Anfang an sein eigenes Geld zu verdienen, bedeutet für die jungen Menschen ein großes Stück Unabhängigkeit.

Die Chancen und Weiterbildungsmöglichkeiten auf einen Blick

Verkürzte Ausbildungszeit

Schneller fertig werden: Mit Zustimmung des Ausbildungsbetriebs können Abiturienten ihre Ausbildungszeit um zwölf Monate verkürzen.

Ausbildungsbegleitend studieren

Duales Studium
In Kooperation mit Hochschulen bieten die Handwerkskammern in verschiedenen Fachrichtungen ausbildungs- oder berufsbegleitende Studiengänge an. Die Absolventen gehen tagsüber ganz normal ihrer Ausbildung nach und studieren über 8 bis 9 Semester nach Feierabend und an Samstagen (ca. 20 Stunden/Woche).
Der Vorteil dieser Ausbildungsform liegt klar auf der Hand: Mit einem Dualen Studium wird nicht nur die Ausbildung, sondern gleichzeitig auch ein Bachelorstudium absolviert und nach erfolgreichem Abschluss verfügen die Teilnehmer sowohl über einen Gesellenstatus als auch über einen Studienabschluss.
Absolventen eines Dualen Studiums benötigen allerdings eine gehörige Portion an Selbstdisziplin, um für die insgesamt 4,5 Jahre am Ball zu bleiben. Um Ausbildungsabbrüche zu vermeiden, solltest du dies bei der Auswahl eines geeigneten Kandidaten berücksichtigen und ihn aktiv bei seinem Vorhaben unterstützen (zum Beispiel mit finanziellen Zuschüssen für das Studium oder Sonderregelungen vor wichtigen Prüfungen).
Ein Duales Studium kann beispielsweise in den Bereichen Betriebswirtschaft, Ingenieurwesen, Gebäudesystemtechnik, Maschinenbau, Informationstechnologie oder Marketing ausbildungs- oder berufsbegleitend absolviert werden.
Triales Studium
Neben dem Dualen Studium wird aktuell in Köln auch das Triale Studium (Handwerksmanagement) für Studierende mit (Fach-)Hochschuleignung angeboten. Ergänzend zum Gesellen- und Bachelorabschluss kann innerhalb der dreigeteilten Ausbildung auch gleich der Meistertitel erworben werden.
Warum es sich lohnt, das Duale Studium zu unterstützen?
Damit Auszubildende entweder das Duale oder das Triale Studienmodell nutzen können, musst du dem als Ausbildungsbetrieb zustimmen. Vor allem für junge Abiturienten, die gern studieren möchten, denen aber Ausbildung und Studium separat zu lange dauern, kann dies ein entscheidendes Kriterium sein, um sich für eine Ausbildung im Handwerk zu entscheiden. Dein Handwerksbetrieb profitiert zudem von der wertvollen Berufserfahrung gepaart mit hoher Lösungs- und Handlungskompetenz der Absolventen.
Hinzu kommt: Wer über die gesamte Dauer der Lehr- und Lernzeit engagiert bei der Sache geblieben ist, hat seine Selbstdisziplin erfolgreich bewiesen. Ein solcher Mitarbeiter empfiehlt sich dafür, verantwortungsvollere Aufgaben im Betrieb zu übernehmen.

Weiterbildungen im Handwerk

Nach der Ausbildung ist im Handwerk noch lange nicht Schluss. Neben der Erlangung des Meistertitels, der in vielen handwerklichen Bereichen immer noch Voraussetzung für eine selbstständige Tätigkeit ist, können vielfältige Berufsqualifikationen erworben werden wie beispielsweise die Weiterbildung zum Betriebswirt im Handwerk.
Meister
Für die meisten ist die Erlangung des international anerkannten Meistertitels oberstes Ziel. Die Weiterbildung und die Vorbereitung auf die vier Prüfungsteile (I. Fachpraxis, II. Fachtheorie, III. Betriebswirtschaftslehre und Recht, IV. Berufs- und Arbeitspädagogik) erfolgt in Meisterschulen.
Betriebsassistent im Handwerk
Kein ganzes Studium, aber eine Zusatzqualifikation: Die Fortbildung „Betriebsassistent im Handwerk“ kann parallel zur handwerklichen Berufsausbildung in Anspruch genommen werden. Am Ende der Fortbildung steht die staatlich anerkannte Fortbildungsprüfung zum/zur „Fachkaufmann/Fachkauffrau Handwerkswirtschaft“ ab. Zusammen mit dem Gesellbrief und einer Bescheinigung der Berufsschule, ist der Absolvent berechtigt, sich „Betriebsassistent im Handwerk“ zu nennen.
Betriebswirt im Handwerk
Auch nach der Meisterprüfung können zusätzliche Weiterbildungsmöglichkeiten in Anspruch genommen werden, wie beispielsweise die Weiterbildung zum Betriebswirt im Handwerk, in der Kenntnisse der Betriebswirtschaftslehre und der Fachbereiche Recht und Personalführung vermittelt werden. Diese Qualifikation ist eine ideale Weiterbildung, wenn der Absolvent sich selbstständig machen möchte oder als Angestellter Führungspositionen anstrebt.

Für die Ausbildung im eigenen Betrieb werben

Was nützt es, ein tolles Angebot zu haben und niemand weiß etwas davon? Bietest du beispielsweise finanzielle Unterstützungen für Weiterbildungsangebote an oder macht sich dein Unternehmen vor allem im Bereich „Nachwuchswettbewerbe“ stark?
Kommunizierst du die Vorteile einer Handwerksausbildung in deinem Betrieb überall dort, wo deine Zielgruppe sich aufhält: sei es die gezielte Ansprache in Schulen oder Vereinen (zum Beispiel über Workshop-Angebote, Infoflyer am Schwarzen Brett, Anzeigen in der Schülerzeitung), der überzeugende Post in den sozialen Medien oder die Ausschreibung in relevanten Onlinekanälen (unter anderem Jobportale, Webseite).
Mit welchen Methoden du am besten um den Nachwuchs wirbst und wie du bereits vor der Ausbildung feststellen kannst, ob Bewerber für die angestrebte Position in deinem Unternehmen geeignet sind, erfährst du in unserem Artikel Passende Auszubildende finden: So geht’s.
Wer andere überzeugen will, braucht im Normalfall nicht nur gute Argumente, sondern auch Zeit. Eine Ansprache der jüngsten Schüler könnte sich in ein paar Jahren somit ebenfalls für dich lohnen. Gleichzeitig macht es immer und generell Sinn, die eigene Bekanntheit zu steigern und durchgängig für ein positives Image in der Öffentlichkeit zu sorgen (zum Beispiel über Pressearbeit, Kundenaktionen oder Mehrwert-Angebote wie beispielsweise Firmenmagazine).

Auch für Abiturienten: Betriebspraktika anbieten

Um die eigenen Fähigkeiten und Interessen besser kennenzulernen, in einen bestimmten Beruf reinzuschnuppern und typische Aufgaben und Arbeitsweisen zu erleben, ist ein Betriebspraktikum ideal. Vor allem für Unentschlossene ist das Betriebspraktikum somit es eine gute Möglichkeit herauszufinden, welcher berufliche Weg zu einem passt. Für andere ist es eine Chance, den Kontakt zu potentiellen Arbeitgebern herzustellen.
Aber auch für deinen Betrieb ergeben sich daraus Vorteile. So lernst du bereits im Vorfeld potentielle Ausbildungskandidaten und deren Fähigkeiten kennen. Darüber hinaus hast du die Chance, als Unternehmen zu überzeugen, denn Auszubildende, die zuvor Einblicke in den jeweiligen Ausbildungsberuf erhalten haben, brechen ihre Ausbildung seltener ab.
Es gilt: den Praktikanten den Handwerksberuf mit allen typischen und alltäglichen Arbeiten näherzubringen, damit diese sich zum einen bewusst für das Handwerk und zum anderen für deinen Betrieb entscheiden.

HAND-DRAUF-Redaktion

Von Werkzeug bis Unternehmensführung: Mit unseren Ratgebern wollen wir Handwerker*innen Antworten auf viele Fragen geben.

Mehr zum Thema

0 Kommentare

Copy link
Powered by Social Snap