Menschen mit Handicaps haben es auf dem Arbeitsmarkt in der Regel nicht leicht. Dabei hat die Integration von gehandicapten Personen im Betrieb (Inklusion) viele Vorteile, von denen alle Beteiligten gleichermaßen profitieren.
In der Gebäudereinigungsfima Forever Clean wird das Thema „Inklusion“ daher auf besondere Weise verwirklicht. Gründerin und Geschäftsführerin Aynur Boldaz Özdemir gibt in ihrem Betrieb ganz bewusst gesellschaftlich benachteiligten Menschen eine berufliche Chance. Wir haben mit der erfolgreichen Unternehmerin über die Herausforderungen und Vorteile von Inklusion im Betrieb gesprochen.
Im Interview mit Aynur Boldaz Özdemir
Frau Özdemir, vor über 15 Jahren haben Sie Forever Clean gegründet. Wie kam es dazu und auf welchen Gebieten ist Ihr Unternehmen heute tätig?
Aynur Boldaz Özdemir: Mein Ziel war es, persönlich und wirtschaftlich unabhängig zu sein und etwas Eigenes auf die Beine stellen. Daher habe ich Forever Clean gegründet. Unser Unternehmen ist im Bereich der Gebäudereinigung tätig. Wir übernehmen klassische Reinigungsaufträge von der Unterhaltsreinigung bis hin zu speziellen Aufträgen wie der Teppich- und Polsterreinigung.
„Ich wollte anderen Menschen helfen, so wie mir am Anfang meiner Selbständigkeit auch geholfen wurde.“
Was war Ihre Motivation dafür, im Jahr 2004 ein Integrationsprojekt für Schwerbehinderte in Ihrem Betrieb ins Leben zu rufen?
ABÖ: Ich wollte anderen Menschen helfen, weil ich dankbar war, dass mir am Anfang meiner Selbständigkeit auch geholfen wurde und weil ich selbst aus einem Kulturkreis komme, in dem es selbstverständlich ist, anderen zu helfen. Ich habe dabei keinen Unterschied zwischen persönlicher und unternehmerischer Unterstützung gemacht und das hat sich rentiert.
Welche Hürden mussten Sie bei der Einstellung von Schwerbehinderten in Ihrem Unternehmen überwinden?
ABÖ: Bis heute müssen wir viel Zeit und Geduld für die Integration der schwerbehinderten Menschen investieren. In erster Linie sind das die langen Einarbeitungszeiten, die teilweise bis zu einem Jahr andauern. Wir probieren so lange aus, in welcher Position im Unternehmen der Mitarbeiter am besten eingesetzt werden kann, bis wir einen geeigneten Einsatzort finden. Bei der Einstellung weiß man das meistens noch nicht.
„Mitarbeiter mit Handycap arbeiten gemeinsam mit Mitarbeitern ohne Handycap.“

Circa ein Drittel Ihrer Belegschaft hat körperliche oder seelische Einschränkungen. Wie funktioniert die Zusammenarbeit von behinderten mit nicht behinderten Personen?
ABÖ: Konkret arbeiten meine Mitarbeiter meist in gemischten Teams. Mitarbeiter mit Handycap werden von Mitarbeitern ohne Handicap begleitet. Dies wird unterstützt durch unseren Unternehmenspsychologen Herrn Flamm.
In welchen Bereichen sind Schwerbehinderte bei Forever Clean tätig? Gibt es Bereiche, die sich besonders gut für die Inklusion eignen?
ABÖ: Unsere schwerbehinderten Mitarbeiter sind in allen Bereichen tätig, soweit sie dafür geeignet sind. Wir trauen ihnen gleich zu Beginn sehr viel zu und erhalten im Gegenzug dafür motivierte Mitarbeiter. Ich würde nicht in spezielle Bereiche, die besser oder schlechter geeignet sind, unterteilen.
„Wirtschaftlich erfolgreich kann ein solches Modell sein, wenn die Eingliederung Teil der Unternehmensstrategie ist.“
Die Kosten für die Eingliederung von Schwerbehinderten in Betriebe sind hoch, die finanziellen Zuschüsse durch das Integrationsamt dementgegen gering. Warum lohnt sich die Inklusion dennoch und inwieweit kann sie wirtschaftlich erfolgreich sein?
ABÖInklusion lohnt sich – vor allem weil Mitarbeiter mit Behinderung besonders dankbar sind, wenn ihnen Vertrauen geschenkt und Verantwortung übertragen wird. Das ist in unserer Gesellschaft leider noch nicht selbstverständlich. Die hohen Kosten für die Eingliederung werden ausgeglichen durch eine Fluktuation, die bei uns gegen Null geht. Diese Mitarbeiterbindung wirkt sich auch positiv auf die Kundenbindung aus, denn der Kunde hat gern langfristig denselben Ansprechpartner. Wir dagegen haben motivierte Mitarbeiter. Diese wiederum sind unverzichtbar für den Unternehmenserfolg. So einfach ist das.
Wirtschaftlich erfolgreich kann ein solches Modell aber nur dann sein, wenn diese CSR-Strategie (Corporate Social Responsibility) in der Unternehmensstrategie verankert ist und im Unternehmen gelebt wird.
Was sollte sich Ihrer Meinung nach gesellschaftlich und politisch ändern, damit Inklusion künftig besser gelingen kann?
ABÖ: Damit Inklusion besser gelingen kann, sollten Menschen mit Handycap eine sichtbare Rolle in der Gesellschaft spielen. Die Aktion Mensch, mit der wir erfolgreich zusammenarbeiten, ist ein hervorragendes Beispiel dafür, wie nicht nur über Menschen mit Handycap gesprochen wird, sondern wie diese Menschen auch selbst zu Akteuren in unserer Gesellschaft werden.
„Inklusion ist für mich das Glücksgefühl, wenn eine schwerbehinderte Mitarbeiterin mir mitteilt, wie gern sie mich hat.“

Wie reagieren Ihre Kunden auf das Geschäftsmodell?
ABÖ: Wenn sie sich dafür interessieren: positiv.
Ihr Firmenslogan „Erfolgreich anders“ steht für ein Unternehmenskonzept, das sich von anderen erheblich unterscheidet. Worauf legen Sie in Ihrem Betrieb besonderen Wert?
ABÖ: Ich lege darauf Wert, dass unternehmerische und soziale Ziele nicht voneinander getrennt werden. Diese beiden Faktoren gehören bei uns immer zusammen.
Was bedeutet Inklusion für Sie ganz persönlich?
ABÖ: Das Glücksgefühl, wenn ich eine SMS von einer schwerbehinderten Mitarbeiterin bekomme, die mir mitteilt, wie gern sie mich hat.
Herzlichen Dank an Frau Özdemir für das Interview. Wir wünschen Ihnen weiterhin viel Erfolg!
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