Digitalisierung in der Provinz: wichtig oder nicht?

10. März 2021

Studien zeigen, dass 80 Prozent der Handwerksbetriebe auf dem Land keine Internetseite haben. Problematisch ist das für die Betriebe meist nicht. Aufträge sind genug da und zusätzliches Marketing nicht notwendig. Volkswirte sehen das anders: Auf lange Sicht steht das Handwerk in der Provinz ohne Digitalisierung nicht gut da.

Seit einigen Jahren schon beschäftigt sich die deutsche Handwerksforschung mit der Digitalisierung von Handwerksbetrieben im ländlichen Raum, darunter zum Beispiel das Institut für Betriebsführung in Karlsruhe und das Volkswirtschaftliche Institut für Mittelstand und Handwerk in Göttingen. Die Studien zeigen: Im Vergleich zur Stadt sind Handwerksbetriebe auf dem Land nur gering digitalisiert. Wenige Betriebe haben eine Internetseite oder Social-Media-Kanäle. Digitale Angebote für das Projektmanagement, Auftragsmanagement sowie die Rechnungslegung und -verwaltung nutzen Handwerksbetriebe auf dem Land ebenfalls selten.

Digitale Kluft zwischen Stadt und Land

Gründe für den sogenannten »Digital Divide« (digitale Kluft) zwischen städtischen und ländlichen Betrieben gibt es viele und werden aktuell erforscht. Ein möglicher Grund: Auf dem Land sind Handwerksbetriebe weniger auf Online-Kanäle zur Kundengewinnung angewiesen. Potenzielle Kunden befinden sich in der unmittelbaren Nachbarschaft und kennen den Betrieb, der mitunter schon seit mehreren Generationen existiert. Zusätzliches Marketing, um weitere Kundenkreise zu erschließen und mehr Aufträge zu gewinnen, könnte sich sogar negativ auswirken: Kleine Handwerksbetriebe mit nur wenigen Mitarbeitern sind gar nicht in der Lage, mehr Aufträge zu bewältigen.

Ein weiterer Grund ist vermutlich die Auftraggeber-Struktur. Während ländliche Betriebe überwiegend private Kunden haben, scheinen städtische Betriebe häufiger zu den Dienstleistungsgewerken zu gehören und Industriekunden zuzuarbeiten. Sie sind Teil von umfassenden Lieferketten, die nach digitalen Kommunikations- oder Managementformen verlangen.

 

Handwerker auf dem Land: digitalisiert euch!

In vielen Regionen Deutschlands kommen den kleinen und mittleren Unternehmen des Handwerks eine Schlüsselfunktion zu. Sie versorgen die Bevölkerung mit hochwertigen Produkten und Dienstleistungen. Als Arbeitgeber und Ausbilder haben sie zudem einen wesentlichen Anteil an der wirtschaftlichen Wertschöpfung und somit am Wohlstand ländlicher Regionen. Durch das Handwerk finden Menschen auf dem lokalen Arbeitsmarkt Beschäftigung, was Abwanderung und Armut vorbeugt. Kurzum: Das Handwerk ist ein wichtiger Stabilisierungsanker und trägt zur Lebendigkeit und Attraktivität vieler Standorte bei.

Doch das Handwerk auf dem Land ist bedroht. Der Mangel an Fachkräften und Fachkräftenachwuchs, Landflucht, Überalterung der Gesellschaft sowie geringere Nachfrage nach handwerklichen Produkten im nahen Umfeld machen Handwerksbetrieben zu schaffen. Nach Meinung von Wirtschaftswissenschaftlern ist die Digitalisierung eine Möglichkeit, das Handwerk auf dem Land zu stärken und zu erhalten. Digitale Hilfsmittel tragen zur Effizienzsteigerung bei und sorgen dafür, dass die wenigen Mitarbeiter in Handwerksbetrieben ihre Arbeitskraft besser einteilen können. Gleichzeitig stellt sich ein Handwerksbetrieb, der sich gegenüber Digitalisierung offen gibt, im Kampf um Auszubildende und junge Fachkräfte besser auf. Betriebe ohne Webseite, ohne Social Media oder E-Mail wirken verstaubt und schrecken junge Menschen ab.

 

Keine Zeit für Weiterbildung

Nicht zu vernachlässigen ist der Zeitfaktor. Viele der neuen, digitalen Möglichkeiten erfordern Zeit, um sie im Betriebsalltag zu etablieren. Betriebsleiter und Mitarbeiter müssen sich mit den neuen Instrumenten bekanntmachen und den Umgang mit ihnen erlernen. Mitunter sind Weiterbildungsmaßnahmen, zum Beispiel in Form von Seminaren, notwendig. Doch Zeit ist gerade das, was viele Betriebe nicht haben, sodass sie bei der Digitalisierung hinterherhinken.

Dass der Wille da ist, zeigen aktuelle Entwicklungen: Während der Corona-Pandemie stieg die Zahl der Anträge für Weiterbildungsangebote an. Warum? Bei einigen Betrieben entspannte sich die Auftragslage aufgrund sinkender Nachfrage. Die gewonnene Zeit nutzten viele Handwerker, um ihre digitale Kompetenz zu stärken.

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HAND-DRAUF-Redaktion

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3 Kommentare

  1. Matthias Klenk

    Live hier aus der Provinz kann ich berichten, dass das Thema Digitalisierung hier noch nicht wirklich angekommen ist im Handwerk. Die Handwerkbetriebe hier in der Region sind, soweit ich die Auftragslage kenn, allerdings sehr gut ausgelastet. Ohne Webseite, aufwändige Warenwirtschaft oder Projektmanagement-Tools funktioniert es auch. Allerding manuell und (noch) nicht digital. Langfristig wird sich das sicherlich ändern. Aber aktuell geht es – zumindest hier im Südwesten – dem Handwerk sehr gut.

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  2. Bernd Grimm

    Dem kann ich nur beipflichten. Ich arbeite viel mit Handwerksbetrieben und die sind ( zum Glück oder leider ) „satt“. Hier geht meines Erachtens nicht mehr um Leadgewinnung, sondern um die Digitalisierung von Arbeitsabläufen. Das ist allerdings noch ein langer Weg, denn „man hat es ja immer schon so gemacht“.
    Ich bin der Überzeugung, dass viele Handwerker einen noch größeren Gewinn erzielen würden, wenn sie 2 Themen fokussieren würden. 1. Automatisierung wo es geht, denn gute Mitarbeiter im Handwerk sind rar und 2. eine zielgruppengerechte Kundenansprache kombiniert mit einem Top-Service

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    • Tom Gleitsmann

      Von meiner Partnerin, die Tischlerin gelernt hat, habe ich ebenfalls viele Geschichten zu „das haben wir immer schon so gemacht“. Anscheinend der Leitsatz der alteingesessenen Betriebe.

      Für mich als SEO Freelancer ein wenig unverständlich, wie man sich so sehr gegen Weiterentwicklung sträuben kann. Meist fängt man bei solchen Firmen nämlich mit der Erklärung an, dass eine Form der Internetpräsenz wie eine Website in der heutigen Zeit ratsam währe.

      Ich hoffe, dass das Thema der Digitalisierung gemeinsam mit der neuen Generation in genau diese Branchen einlaufen wird.

      Drücken wir die Daumen.

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