Die 4-Tage-Woche im Handwerk

12. Juni 2021

Mess-, Steuer- und Regelungstechnik, Sanitär und Schreinerei: Das Handwerk beweist mit drei Beispielen aus unterschiedlichen Fachbereichen, dass eine 4-Tage-Woche funktionieren kann. Im Interview haben wir über die Vorteile, die Organisation und Kundenfeedback zur 4-Tage-Woche mit drei Handwerksbetrieben aus Deutschland gesprochen.

 

Was waren die Beweggründe für die Einführung einer 4-Tage-Woche in Ihrem Betrieb?

Ayleen Bauser: Für uns war der erste Beweggrund wirklich die Mitarbeitergewinnung. Mit der 4-Tage-Woche können wir uns von Mitbewerbern unterscheiden und absetzen und wecken bei Bewerbern großes Interesse.

Stefan Peter: Wir verstehen uns als einen sehr sozialen Betrieb. Für meine Mitarbeiter ist nicht nur die Bezahlung ausschlaggebend, sondern auch soziale Komponenten, unfallsichere Arbeitsplätze, Familienfreundlichkeit, usw. 2019 wurde die 4-Tage-Woche in den Medien diskutiert. Da habe ich mir überlegt: Das führen wir ein!

Marco Bruns: Da unsere Baustellen in der Regel im Umkreis von 50 Kilometern sind, haben wir teilweise Fahrzeiten von 45 Minuten pro Strecke. Das bedeutet viel Fahrzeit und weniger Produktivität. Da kam uns die Idee, die Wochenarbeitszeit auf 4 Tage zu verteilen, damit der »unproduktive« Freitag, den wir zuvor nur halbtags gearbeitet haben, entfällt.

Stefan Peter von der Schreinerei Peter

Wie regeln Sie die 4-Tage-Woche in Ihrem Betrieb organisatorisch?

AB: Unser Büro ist die ganze Woche über besetzt. Wir regeln das so, dass ein Mitarbeiter zum Beispiel montags, ein anderer freitags frei hat. So können wir die ganze Woche für unsere Kunden da sein, unsere Baustellen laufen weiter und es entsteht kein Ausfall.

SP: Bei uns wird Montag bis Donnerstag von 6:45 bis 12:00 Uhr und von 12:45 bis 17:15 Uhr gearbeitet. Das sind wöchentlich 39 Stunden. Freitag vormittags sind zwei Beschäftigte im Notdienst in der Firma. Hier gibt es einen Jahresplan, wer an welchem Freitag drankommt. Die aufgewandten Stunden können dann über das Überstundenkonto oder über Urlaubstage ausgeglichen werden – wie der Mitarbeiter möchte.

MB: Die Arbeitszeit ist nun von 6:00 Uhr bis 16:45 Uhr. Die Arbeitsverträge der Mitarbeiter wurden entsprechend auf die 4-Tage-Woche angepasst. Die Gesamturlaubstage im Jahr sind anteilig angepasst worden, da für eine ganze Woche Urlaub nur 4 Tage genommen werden. Ein Projektleiter, eine Bürokraft und ich arbeiten am Freitag bis mittags. Diese Zeit nutzen wir, um die kommende Woche vorzubereiten und Dinge zu erledigen, die im normalen Tagesgeschäft manchmal untergehen.

 

Lief die Einführung der 4-Tage- Woche problemlos oder gab es anfängliche Herausforderungen?

AB: Bei Einführung unserer 4-Tage- Woche gab es nur meinen Mann und einen Mitarbeiter unserer Firma. So war es keine große Umstellung. Wir haben unseren Mitarbeiter einfach freitags nicht mehr eingeplant und so einfach angefangen.

SP: Nicht ganz. Manche Kollegen wollten eine Stunde früher anfangen, andere abends eine Stunde länger dranhängen. Nach einer Weile kam uns die Idee zum laufenden Konzept: morgens eine Viertelstunde eher anfangen, mittags eine Viertelstunde weniger Pause und abends eine Viertel-stunde länger arbeiten. Das haben alle Mitarbeiter sehr gut angenommen.

MB: Grundsätzlich lief der Prozess problemlos, da wir vor der Umstellung alles mit den Kollegen durchgesprochen haben.

Ayleen Bauser und Markus Gaßner von Sanitär Heizung Fliesen Gaßner

Wie ist die Resonanz Ihrer Mitarbeiter zur 4-Tage-Woche?

AB: Unsere Mitarbeiter sind sehr zufrieden mit unserer Regelung und möchten die 4-Tage-Woche nicht mehr missen. Einige Mitarbeiter haben mehr Zeit für die Familie, andere für Hobbies oder auch die eigenen handwerklichen Projekte und natürlich für die Erholung.

SP: Von Anfang an war die Resonanz unserer Mitarbeiter sehr gut! Kein Wunder, wer würde schon ein langes Wochenende ausschlagen? Die Zeit nutzen die Kollegen unterschiedlich: Für die Familie, für anfallende Arbeiten in Haus und Garten, während die Kinder noch in der Schule sind, für Freizeitaktivitäten, soziales Engagement, Behördengänge und Erholung.

MB: Die Resonanz ist sehr gut. Die Zeit wird bei den meisten für die Ausübung eines Hobbys, Zeit mit der Familie, aber auch Behördengänge oder Arzttermine genutzt. Bei uns in der ländlichen Region leben viele im Einfamilienhaus mit Garten etc. Da gibt es immer viel zu tun. Arbeiten wie Rasenmähen etc. können Freitags erledigt werden, um mehr Freizeit am Wochenende zu haben.

 

Ist die Produktivität und Motivation Ihrer Mitarbeiter nach Einführung der 4-Tage-Woche gestiegen?

AB: Auf jeden Fall! Unsere Mitarbeiter achten sehr genau darauf, dass sie ihre Arbeit in vier Tagen schaffen und so auch keine liegengebliebene Arbeit auf Kollegen abfällt.

SP: Die Motivation ist merklich gestiegen. Die Produktivität kann man schwer messen, sie ist aber nicht gesunken und das reicht schon, um von einem positiven Ergebnis sprechen zu können.

MB: Ja, deutlich. Und alle freuen sich auf das Feierabendbierchen am Donnerstagabend. Wenn unsere Monteure auf Baustellen mit Leuten von anderen Firmen sprechen und von »freitags frei« erzählen, löst dies auch mal Neid bei den anderen aus. (lacht)

Marco Bruns von Bruns MSR Technik GmbH

Wie nehmen Ihre Kunden die 4-Tage-Woche Ihres Betriebs wahr?

AB: Am Anfang haben unsere Kunden es gar nicht bemerkt – ein gutes Zeichen. Erst als ein großer Zeitungs- und Fernsehbericht zum Thema veröffentlicht wurde, haben einzelne Kunden uns darauf angesprochen. Die Rückmeldungen waren allerdings stets positiv. Eine Kundin zum Beispiel hat uns gesagt, es sei ihr gar nicht aufgefallen, weil immer jemand da war und die Sanierung ohne Probleme oder Ausfall stattgefunden hat.

SP: Anfangs waren die Kunden schon überrascht, wenn Monteure sich am Donnerstag für das Wochenende verabschiedet haben. Die Kommentare waren aber ausnahmslos positiv wie z. B. »Das würde ich mir auch wünschen – braucht Ihr noch Leute?«. Wir haben allerdings eine Ausnahmeregelung: Wenn es bei einzelnen Kunden nicht anders geht, springen wir ausnahmsweise auch freitags mal ein. Der Mitarbeiter kann diesen Tag dann natürlich abfeiern.

MB: Sehr positiv. Wir haben fast nur Gewerbekunden und Kommunen. Wenn wir den Kunden erklären, dass wir eine 4-Tage-Woche haben und am Freitag nicht auf der Baustelle sind, kommen meistens Sätze wie »Bei ihnen würde ich auch gerne arbeiten«.

 

Wieso würden Sie die 4-Tage- Woche auch anderen Betrieben empfehlen?

AB: Ich denke, jeder Betrieb muss für sich herausfinden, ob eine 4-Tage-Woche für den eigenen Betrieb, die Mitarbeiter und von der Planung her, funktioniert. Insgesamt denke ich aber, dass es für nahezu jedes Unternehmen möglich ist. Wer seinen Mitarbeitern etwas Gutes tun will, dem kann ich nur dazu raten.

SP: Die 4-Tage-Woche bietet Vorteile für Mitarbeiter und den Betrieb! Das Verhältnis von produktiver und unproduktiver Arbeit ist mit diesem Modell viel besser, Beispiel Anfahrts- und Arbeitszeit. Mitarbeiterbindung und Bewerbergewinnung werden enorm verbessert, Zeiten, die Mitarbeiter normalerweise für Behördengänge oder Arztbesuche benötigen quasi auf null reduziert. Neben den offensichtlichen, gibt es also noch zahllose weitere Vorteile. Fazit: Ich kann es jedem Betrieb nur empfehlen, auf die 4-Tage-Woche umzusteigen.

MB: Die Mitarbeitermotivation steigt. Die Produktivität der Mitarbeiter steigt. Man spart als Unternehmen enorme Fahrtkosten in Form von bezahlten Fahrzeiten und den reduzierten Fahrzeugkosten am Freitag. Für uns ist es ein ideales System und wir können anderen Betrieben nur nahelegen, es auszuprobieren.

 

Vielen Dank für das Gespräch!

HAND-DRAUF-Redaktion

Von Werkzeug bis Unternehmensführung: Mit unseren Ratgebern wollen wir Handwerker*innen Antworten auf viele Fragen geben.

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