Arbeitsunfall: Diese Regeln gelten

27. September 2020

Im Jahr 2019 ereigneten sich in Deutschland rund 870.000 Arbeitsunfälle, die eine Arbeitsunfähigkeit von mindestens drei Tagen zur Folge hatten. Welche Regeln in diesem Fall greifen und was Arbeitnehmer und Arbeitgeber bei einem Arbeitsunfall unbedingt beachten müssen, erfährst du in diesem Artikel.

Wird ein Unfall an der Arbeitsstätte oder auf dem Weg dorthin als Arbeitsunfall eingestuft, springt die zuständige Berufsge­nossenschaft als verantwortlicher Träger der gesetzlichen Unfallversicherung ein. Die Berufsgenossenschaft übernimmt die notwendigen Behandlungs- und Rehabilitationskosten. Allerdings wird hier genau hingesehen: Nicht jeder Unfall, der während der Arbeitszeit passiert, wird auch als Arbeitsunfall anerkannt.

Wann gilt ein Unfall als Arbeitsunfall?

Als Arbeitsunfall gelten nur Unfälle, die im direkten Zusammenhang mit der ausgeübten Tätigkeit im Betrieb stehen. Rutschst du etwa auf dem Weg in die Kaffeeküche oder während einer Zigarettenpause aus, gilt das in den meisten Fällen nicht als Arbeitsunfall.

Ein während der Arbeit eingetretener Gesundheitsschaden darf nicht auf schon zuvor bestehende gesundheitliche Beeinträchtigungen zurückzuführen sein, die während der beruflichen Tätigkeit akut wurden. Ein Bandscheibenvorfall während der Arbeitszeit wird somit meistens nicht als Arbeitsunfall anerkannt.

Ist der Unfall selbst verschuldet, greift der Versicherungsschutz in der Regel trotzdem. Anders sieht es jedoch aus, wenn Trunkenheit oder Drogenkonsum die Ursache für den Unfall waren oder das Unfallereignis vorsätzlich herbeigeführt wurde: Dann zahlt die Versicherung nicht.

Sind Arbeitnehmer in der Mittagspause versichert?

Diese Frage wird von der Rechtsprechung mit einem klaren “Jein” beantwortet. Doch im Ernst: Was Unfälle in der Mittagspause angeht, ist die rechtliche Auslegung nicht einheitlich. Grundsätzlich ist der Weg zur Nahrungsaufnahme, also etwa in die Kantine oder ein Restaurant, versichert. Möchtest du in deiner Pause jedoch etwas Privates erledigen und nicht deinen Hunger stillen, greift bereits auf dem Weg dorthin der Versicherungsschutz nicht mehr. Auch wenn du deine Pause zum Essen nutzt, endet der Versicherungsschutz mit dem Betreten der Kantine oder des Restaurants – die Pausenzeit selbst ist nicht mehr versichert.

Gelten Unfälle auf dem Arbeitsweg als Arbeitsunfall?

Geschieht ein Unfall auf dem Hin- oder Rückweg von und zur Arbeitsstätte, spricht man von einem Wegeunfall. Dieser ist ebenso versichert wie ein Unfall an der Arbeitsstätte. Abweichungen vom direkten Arbeitsweg, etwa aufgrund von Umleitungen, Fahrgemeinschaften oder zur Unterbringung von Kindern in der Schule oder dem Kindergarten sind dabei möglich, ohne dass der Versicherungsschutz verfällt. Wird der Weg jedoch aus privaten Gründen unterbrochen, besteht für die Dauer der Unterbrechung kein Schutz.

Wie sollten Arbeitnehmer und Arbeitgeber bei einem Arbeitsunfall vorgehen?

Unfalluntersuchung

Bei einem Arbeitsunfall an der Arbeitsstätte sollte noch an Ort und Stelle eine umfassende Unfalluntersuchung erfolgen. Neben Zeugen und Sicherheitsfachkräften sollten dabei auch der Arbeitgeber und die verantwortlichen Führungskräfte vor Ort sein und Angaben zum Ort und Zeitpunkt des Unfalls, dem Unfallhergang und zur Art der Verletzung des Arbeitnehmers schriftlich dokumentieren. 

Ärztliche Behandlung und Dokumentation des Unfalls

Unmittelbar nach dem Unfall sollte sich das Unfallopfer von einem Durchgangsarzt untersuchen lassen. Dieser stellt den Verletzungsgrad fest, definiert die notwendigen Behandlungsmaßnahmen und dokumentiert darüber hinaus den Hergang des Unfalls. Vor Gericht gilt diese ärztliche Dokumentation des Durchgangsarztes als Beweismaterial für den Arbeitnehmer. Die Dokumentation eines Hausarztes ist hier unter Umständen nicht ausreichend.

Meldung an die Versicherung durch den Arbeitgeber

Ist der Arbeitnehmer so schwer verletzt, dass er oder sie mehr als drei Tage arbeitsunfähig ist, muss der Arbeitgeber dem Versicherungsträger den Unfall innerhalb von drei Tagen nach Kenntnis des Unfalls melden. Bei tödlichen Unfällen besteht eine Sofortmeldepflicht, der Versicherungsträger muss also unverzüglich informiert werden.

Nach der Meldung des Unfallereignisses kontrolliert die Versicherung, ob alle Kriterien für einen Arbeitsunfall erfüllt sind. Dazu darf sie die verunfallte Person, den Arbeitgeber und Zeugen des Unfalls befragen und einen externen Gutachter hinzuziehen. Auch die gesundheitliche Vorgeschichte der unfallgeschädigten Person wird hierbei unter die Lupe genommen. Arbeitgeber sollten sich immer eine Kopie des Versicherungsgutachtens aushändigen lassen, um über alle Vorgänge informiert zu bleiben.

Wann haftet der Arbeitgeber bei einem Arbeitsunfall?

Wird ein Arbeitnehmer bei einem Arbeitsunfall verletzt, übernimmt die gesetzliche Unfallversicherung alle Kosten für den entstandenen Personenschaden. Der Arbeitgeber muss somit nicht selbst haften und ist auch gegen Schmerzensgeldforderungen abgesichert. Das gilt sogar bei einem fahrlässigen Verhalten des Arbeitgebers. Anders sieht es dagegen bei Sach- und Vermögensschäden des Unfallopfers aus – hier ist eine Haftung des Arbeitgebers nicht ausgeschlossen.

Hat der Arbeitgeber den Unfall jedoch durch vorsätzliches Handeln herbeigeführt, greift die Unfallversicherung nicht. Was als Vorsatz gilt, wird von der Rechtsprechung eng gefasst: Das Missachten von Vorschriften oder der fehlerhafte Aufbau von Gerüsten oder Produktionsanlagen reicht hier nicht aus. Vielmehr muss die konkret eingetretene Verletzung schon im Vorfeld vorhergesehen und billigend in Kauf genommen worden sein.

Und wer zahlt bei einem Arbeitsunfall?

Nach einem Arbeitsunfall ist der Arbeitgeber genau wie im Krankheitsfall verpflichtet, dem verunfallten Arbeitnehmer sechs Wochen lang Krankengeld in Form von Lohnfortzahlung zu zahlen, sofern dieser eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vorlegt. Danach erhält der Arbeitnehmer 80 Prozent des Bruttolohns als Verletztengeld durch die Krankenkasse.

HAND-DRAUF-Redaktion

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